Herausforderungen gemeinsam tragen! … und wie man Paradeiser gesund hält.

Wer eine Landwirtschaft oder einen Garten hat, ist oft in Verruf, sich immer über das Wetter zu beklagen. Zu heiß, zu kalt, zu trocken, Starkregen, Hagel … Das Angenehme dazwischen nehmen wir oft nicht wahr, weil es „selbstverständlich“ ist. Das Selbstverständliche zu sehen und dafür dankbar sein, tut gut und darin können wir uns alle üben.
Aber das ist auch nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich werden diese schwierigen Extreme immer „selbstverständlicher“ und machen das alte „normal“ immer mehr zur Ausnahme, wie Praktiker*innen wissen und wie es auch Wetterstatistiken zeigen. Für mich ist es oft ein schwieriger Spagat: ich will Dankbarkeit über die angenehmen Geschenke der Natur stärker spüren und kommunizieren als meine Sorgen und negativen Gefühle über Wetter, das uns das Leben schwer macht. Wir (Gärtner*innen/Landwirt*innen) wollen aber auch nicht das zunehmende Risiko und die damit verbundenen Sorgen alleine tragen müssen. Wir wollen, dass unsere Mitmenschen von den Herausforderungen erfahren, mit denen wir konfrontiert sind – denn es ist unser kollektiver Lebensstil, der diese Herausforderungen durch die Klimakrise verstärkt. Es braucht also auch kollektives Hinschauen und Handeln! Derzeit bekommen jene die Herausforderungen am meisten zu spüren, die diese am wenigsten mitverursacht haben: Die Landbevölkerung im globalen Süden. In Europa sind es hauptsächlich wir Gärtner*innen und Landwirt*innen, die die zunehmenden Risiken (fast) ohne gesellschaftlicher Unterstützung ertragen müssen. Hier wünsche ich mir Veränderung: mehr Klimaschutz und Solidarität!

Ich nehme mir also einen Absatz um mich übers Wetter zu beklagen: Gestern haben wir etwas gemacht, was wir noch nie zuvor gemacht haben: wir haben unsere Zucchini, Melonen und Freilandgurken mit einem Vlies zugedeckt – und das im Juli. Ungewöhnliche und nervige Arbeit in dieser Jahreszeit. Freilich würden sie die 8°C Nachttemperatur der letzten (und womöglich kommenden) Nacht überleben – allerdings kann so ein Kälteschock zu einer Wachstumsstagnation und zum Blüten-/Früchte-Abwerfen führen. Auch die Nachtschattengewächse im Freiland (Paprika, Chili, Melanzani) hätten sich über Schutz gefreut, aber wir haben beschlossen, dass diese es so schaffen müssen.

Um die Negativität auszugleichen, hier eine schönere Neuigkeit: die neuen Kisterl sind endlich eingetroffen. Durch den erfreulichen Zuwachs an Gemüsekisterl-Bezieher*innen waren wir zeitweise etwas knapp und mussten immer wieder auf alte (schwarze) Erntekisten zurückgreifen. Diese Zeit ist jetzt vorbei und wer von uns (zwei)wöchentlich Gemüsekisterl bekommt, erhält diese in Zukunft in schönen neuen grünen Kisterln.

Eine weitere Freude: die ersten Paradeiser fangen an bunt zu leuchten. Jene, die noch grün sind, haben einen starken Fruchtbehang und sind großteils stark und gesund, was mich sehr freut, denn Paradeiser sind im intensiven Tunnelanbau alles andere als leicht gesund zu halten.


Für hohe Effizienz bauen wir die Paradeiser mit 45cm Abstand an, geizen Konsequent aus und leiten sie an einer starken Hanfschnur eintriebig nach oben, nur an den einreihigen Randbeeten führen wir sie zweitriebig. Neben einer ausgeglichenen Nährstoffversorgung ist vor allem die Bewässerung ein heikles Thema, denn bewässert man zu viel, ist dies eine Einladung für Pilzkrankheiten (Phytohphtora, Botrytis, …) und führt zu „vergeiltem“ Wachstum, das man an den großen Internodien (Blattabstand) erkennt. Die Paradeiser wachsen dann auch unangenehm hoch, was eine Ernte erschwert. Außerdem sind die Blattzellen vergeilter Pflanzen weniger robust und krankheitsanfälliger. Generell gilt bei Paradeisern: sparsam gießen und möglichst ohne dass die Pflanzen dabei nass werden oder mit Erde (Pilzsporen) bespritzt werden. Deshalb haben wir eine Tröpfchenbewässerung und gießen nur gelegentlich ergänzend um die Pflanzen, damit die Pflanze nicht nur beim Tröpfchenschlauch Wasser und Nährstoffe bekommt, sondern auch rundherum.

Zu wenig Wasser ist leider ebenso problematisch wie zu viel. Während zu viel Wasser zu starkes Wachstum anregt, führt zu wenig Wasser zu Stress, was dazu führt, dass die Paradeiser ins „generative“ Wachstum gehen, sprich: extrem viele Blüten machen, die sie aber dann nicht ausreichend mit Wasser versorgen können. Deshalb fallen diese Früchte oft ab oder bleiben klein und bekommen „Fruchtendfäule“ (durch den Wassermangel kann zu wenig Calcium zu den Früchten transportiert werden). Es gibt allerdings viele weitere mögliche Ursachen für Fruchtendfäule, wie zum Beispiel Kalkmangel im Boden oder auch zu viel Kalk bzw. andere Unausgeglichenheiten in der Nährstoffversorgung. Außerdem gibt es Sorten, die zu diesem Problem neigen (meist Spitz-Früchtige).

Wer bis hierher gelesen hat, der hat wahrscheinlich seine eigenen Paradeiser im Garten. Alle anderen bewundere ich für ihr Durchhaltevermögen bzw. für ihr theoretisches Interesse an meiner nerdigen Tomaten-Kultur-Abhandlung. Vielleicht stärkt sie die Freude und Wertschätzung, wenn dann diese kostbare Frucht unsere Gaumen küsst.

LG, Tobias


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