Im letzten Eintrag habe ich angekündigt unser „Ziel“ noch etwas genauer zu erklären:
Wir wollen die Region mit nachhaltigem Gemüse versorgen, für alle Menschen leistbar sein und selbst davon gut leben können.
„Nachhaltig“ ist für uns wie eine Mindestlatte. Eigentlich wollen wir vielmehr regenerativ arbeiten, also in Bezug auf die Natur die Artenvielfalt fördern, Humusaufbau bewirken, CO² im Boden speichern und auch im Privatleben nicht auf Kosten anderer leben. „Regenerativ“ kann aber auch gesellschaftlich und individuell gelesen werden. Regionale Ernährungssouveränität erhöht die Krisenresilienz. Gemeinschaftliche Projekte und Märkte, wo Menschen zusammenkommen, sind gut für das soziale Leben in einer Gemeinde. Wichtig für uns ist, dass dies auch von den Menschen, die mit uns im Austausch sind, gesehen wird. Bei uns kauft man sozusagen nicht einfach nur eine Rote Rübe sondern man finanziert unsere Arbeit, die ein gesellschaftlich wichtiger Beitrag zum Wohle der Natur und der Menschen sein soll. Die rote Rübe ist so nicht zu vergleichen mit einer aus dem Supermarkt, von der lediglich ein Großbauer oder Konzern profitiert.

„Gut leben können“ ist natürlich ein sehr dehnbarer Ausdruck. Obwohl für mich „Soziales“, „Sinn“ und dergleichen viel ausschlaggebender für ein gutes Leben sind, möchte ich mich hier einmal auf den finanziellen Aspekt fokussieren: In der Landwirtschaft werden 10€/h für viele Arbeiter*innen schon als gute Entlohnung gesehen, denn viele verdienen viel weniger. Natürlich ist die Einschätzung auch abhängig von den Lebensumständen und den angelegten Maßstäben. Orientiert man sich am Kollektivvertrag, so wäre das je nach Ausbildung und Vorerfahrung zu wenig. Für Betriebsführer*innen ist es viel zu wenig, denn diese sollten in einer Anstellung laut Kollektivvertrag € 2.675 brutto verdienen. Davon abgesehen, dass der landwirtschaftliche Kollektivvertrag einer der schlechtesten überhaupt ist: Für uns ist das derzeit dennoch nicht erreichbar. Vielleicht irgendwann, wenn sich alles eingespielt hat und wir unsere Effizienz weiter erhöhen können. Wo wir uns mit dem Stundenlohn genau befinden, ist allerdings sehr schwer zu sagen, denn Investitionen, Aufbau der Infrastruktur, Anbau für den Verkauf und Selbstversorgung verschwimmen zu sehr und wir werden erst am Ende des Jahres unsere Finanz-Dokumentation sorgfältig durcharbeiten können und so einen ungefähren Lohn nur für die Erwerbs-Arbeitsstunden berechnen. Reich wird man durch die Arbeit jedenfalls nicht – doch das ist ja auch nicht unser Anspruch. Für mich ist es ein ganzheitliches Lebenskonzept, das mit gefällt. Anders würde ich die schreiende Lohn-Ungerechtigkeit nicht freiwillig annehmen – denn wie unendlich viel mehr verdienen manche Menschen, die nicht körperlich unter vielen Risiken etwas Lebensnotwendiges für andere produzieren? So ganz nebenbei: Gemüsebauer zu sein bedeutet nicht nur stundenlang gebückt oder hockend dem Wetter ausgesetzt am Feld zu verbringen. Es bedeutet auch ein riesen Know-How über Pflanzen, Anzucht, Saatgutvermehrung, richtige Pflege, Ernte, Lagerung etc zu haben. Man ist auch Betriebsführer/Manager, Investor, Buchhalter, Büro-Arbeiter (stundenlanges planen/dokumentieren/rechnen), Installateur (Bewässerungssystem), Reperateur (es ist ständig was zu reparieren, oft auch Maschinen), Florist, Landschaftspfleger und vieles vieles mehr. Diese Kombination aus extrem breit gefächertem Know-How und praktischer-körperlicher Arbeit gibt es selten so billig zu kaufen.
„Für alle Menschen leistbar sein“ klingt erstmal utopisch bzw. widersprüchlich mit den ersten beiden Zielen. Es gibt aber Lösungsansätze, die auch wir verfolgen wollen. Das Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft haben wir in unseren Beiträgen schon öfters erwähnt. Kurz wiederholt: Hier kauft nicht ein Konsument ein Produkt vom Produzenten, sondern eine Gemeinschaft finanziert gemeinsam eine soziale nachhaltige Landwirtschaft und teilt sich die Erträge daraus. Daraus folgt, dass Risiko und Erfolg geteilt wird. Es bedeutet auch, dass Produkte keine fixen Preise brauchen, sondern jede*r so viel beitragen kann, wie es ihm/ihr möglich und fair erscheint.
Wir befinden uns erst auf dem Weg dorthin, denn es braucht erst eine Vertrauensgrundlage für solche Konzepte, die wir uns noch erarbeiten müssen. Doch schon jetzt kann jede*r bei uns selbst entscheiden, wie viel genau einem ein wöchentliches Kisterl wert ist – wir geben nur einen Richtwert vor. Überschüsse, die wir nicht mehr verkaufen können, geben wir an Sozialprojekte.
Am schwierigsten umsetzbar ist das Solidaritätsprinzip allerdings am Marktstand: In der Regel möchte niemand sagen: das ist mir zu teuer, das kann ich mir nicht leisten. Allerdings sind viele großzügig und geben uns ein Trinkgeld. Ich möchte dennoch alle Menschen einladen, mit uns ins Gespräch zu kommen, wenn ihnen etwas zu teuer ist. Bei Bedarf geben wir es gerne billiger her oder können erklären, warum der Preis so ist wie er ist. Vielleicht fallen uns auch in Zukunft Konzepte ein, wie wir mehr Solidarität auf den Marktstand bringen.
Genug für heute! Voraussichtlich gibts noch einen Teil 3 zum Thema!
Liebe Grüße, Tobias