„Der wichtigste Beruf der Welt“

„Die Arbeit in der Landwirtschaft ist der wichtigste Beruf der Welt.“ Aus dieser Aussage spricht weniger die Überheblichkeit einer Berufsgruppe, als vielmehr die Tatsache, dass wir ohne Lebens-Mittel nicht leben können. Natürlich kann man Lebensmittel auch selbst anbauen/sammeln/jagen, doch für die meisten Menschen ist dieser Anteil relativ klein.

Trotz dieser enormen Wichtigkeit dieses Berufs, haben Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, oft die geringsten Löhne. Da es in der Branche sehr viel „Schwarzarbeit“ und unbezahlte Familien/Praktika-Arbeit und dergleichen gibt, sind genaue Zahlen aber schwer zu ermitteln.

Eine Frage kommt in meinen Kopf:
Warum arbeite ich eigentlich in der Landwirtschaft? Ist es doch hauptsächlich harte Arbeit für wenig Geld?

Die Antwort hat wohl mehr mit Leidenschaft als mit Geld zu tun. Zwar habe ich die Hoffnung auch ein halbwegs gutes Einkommen erwirtschaften zu können, aber ausschlaggebender ist für mich eine andere Art von „Lohn“, die man in wenig anderen Berufen bekommt:
Ich arbeite viel in und mit der Natur und bin dabei sehr autonom. Diese Freiheit und Naturverbundenheit ist für mich das wichtigste. Meine Arbeit ist aber auch sinnvoll für mich und ganz viele andere Menschen und darüber hinaus extrem abwechslungsreich. Von Arbeit mit dem PC, mit Menschen, mit Pflanzen ist alles dabei. Es gibt Management-Aufgaben genauso wie Kundengespräche oder stundenlanges Jäten. Oft ist sehr viel Kreativität gefordert. Gemüsebau und Flächennutzung bietet unendlich viele Optionen. Und jede hat ein leicht anderes Ergebnis. Man muss genau hinschauen, immer alles beobachten, im Idealfall dokumentieren, um so lernen zu können, wie eine Maßnahme wirkt. Oft dauert es Monate bis man ein Ergebnis sieht. Hier ist Geduld gefragt. Doch auch diese „Langsamkeit“ liebe ich sehr. Sie erinnert mich daran, dass ich zwar Prozesse lenken kann, doch letztendlich spielt die Natur nach ihren eigenen Regeln und ich darf demütig zusehen.


Der Vollständigkeit halber muss ich aber auch hinzufügen: Die Realität der meisten in der Landwirtschaft-tätigen Menschen ist eine ganz andere: Stundenlang Traktor fahren, oder schlimmer: ohne Ende Unkraut Jäten und dergleichen. Autonomie und Abwechslung ist der Luxus eines Selbstständigen mit einem Vielfaltsbetrieb.

Die andere große Frage, die auftaucht:
Können wir es als Gesellschaft schaffen, dass jene, die unsere Lebensmittel produzieren, selbst gut davon leben können?

In einer Welt, in der ohne Geld nicht viel geht, muss man da wohl auch über das finanzielle Einkommen reden. Hier wirds knifflig, denn der Markt gibt die Preise vor und wer sich nicht daran hält, kann nach gemeiner Logik nicht davon leben.
Was aber, wenn wir Lebensmittel nicht mehr als bloße Ware auf dem Markt wahrnehmen? Sondern als Teil einer wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe: sich um Land zu kümmern, um Nachhaltigkeit, ökologische Vielfalt, gesunde Lebensmittelbereitstellung für alle, nicht nur für die, die es sich leisten können?
Es gibt viele Menschen, die sich eigentlich so eine „Landwirtschaft“ wünschen, nicht nur eine, die billig produziert und alles andere ignoriert. So ein Modell kann aber nicht Markt-basiert funktionieren, denn dieser belohnt kaum was anderes als „effizienter“. Hier gilt es also Lösungen zu finden.


Die Basis dafür ist eine Verankerung in einer Gesellschaft, ein Vertrauensverhältnis und ein Miteinander. Wo das gegeben ist, dort ist eine Solidarische Landwirtschaft möglich. Kurz: SoLaWi. Die SoLaWi versucht genau das: eine Gemeinschaft bezahlt die „Landwirtschaft“ und teilt die Ernte, die Überschüsse, die Risiken, die ökologische und gesellschaftliche Arbeit.
Wie das genau umgesetzt wird, dafür gibt es verschiedenste Ansätze und einige davon sind relativ erfolgreich. Auch für die Ackerhummel ist es ein Ziel, sich zur SoLaWi zu entwickeln.

Vorerst verkaufen wir Gemüse auch nach normaler Marktlogik. Gleichzeitig bieten wir auch die Möglichkeit einer freien Entnahme an, wo eine flexible Preisgestaltung möglich ist: wer mehr hat, zahlt mehr, wer weniger hat, zahlt weniger. Auch das Gemüsekisterl soll sich, sobald etabliert so flexibel gestalten. Das Geld ist sozusagen teilweise losgelöst vom Gemüse – denn wir berechnen den Inhalt nicht mit Geld. Das Geld finanziert vielmehr unsere Arbeit. Und unsere Arbeit ermöglicht ein gesundes Ökosystem und frisches Gemüse für alle, egal ob arm oder reich. die Voraussetzung dafür ist Solidarität – und, dass wir Produzierenden davon leben können. Am Ende können wir alle hoffentlich besser davon leben.


… So meine Vision, wie es mit dem „wichtigsten Beruf der Welt“ weitergehen könnte.


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